Wahlkampf-Impressionen: Von Bienen, Besen, Lämmern und Flaschen

Am 29. September 2013 wird in Österreich gewählt. Grund genug manche Ereignisse unter dem Fokus „Menschen. Rechte. Wahlkampf.“ Revue passieren zu lassen­. Ein Kommentar.

Dem ÖVP Kompetenz-Triumvirat Nikolaus Berlakovich, Beatrix Karl, Johanna Mikl-Leitner gelang es ohne Mühen die Medienberichterstattung der letzten Wochen zu dominieren.

Wir lernten im Mai über die Gefahren von Neonicotinoiden und warum der Umweltschutzminister die Landwirtschaft schützt, oder war es umgekehrt? Sicher dürfte aber sein: Zuerst sterben die Bienen, dann die Pflanzen und irgendwann auch wir.

„Im Zweifel sind wir für die Bienen“

In Abwägung zwischen Klientenpolitik und öffentlicher Stimmungslage entschied sich der ÖVP-Chef Spindelegger schlussendlich erwartbar gegen Minister Berlakovich und verkündete: „Im Zweifel sind wir für die Bienen.

Diese Formulierung ist insoweit bemerkenswert, weil Spindelegger auch sagen hätte können: „Wir sind für die Menschen und ihr Recht auf intakte Umwelt.“ Aber dies hätte Berlakovich – von den Freiheitlichen „Giftminister“ tituliert – nicht geschmeckt.

„Strafvollzug ist kein Paradies“

In einem inzwischen legendären TV-Interview mit Armin Wolf nahm Justizministerin Beatrix Karl zu einer Vergewaltigung Stellung, die ein Jugendlichen in Untersuchungshaft durch andere Insassen erdulden musste. (siehe Transkript)

Sie wollte diese Gewalttat als Einzelfall abtun, was unrichtig und auch dokumentiert ist. “Strafvollzug ist kein Paradies“ meinte sie im Interview schnippisch und ergänzte: „Wir sprechen hier vom Jugendstrafvollzug, wir sprechen hier von Jugendlichen, die eine schwere Straftat begangen haben. Weil sonst wären sie auch nicht in U-Haft genommen worden.“ Die Kritik über diese menschenrechtsfeindliche Reaktion der Ministerin und die Vorverurteilung (der Jugendliche ist nämlich gar nicht verurteilt) war groß.

Großinsolvenzen

Im Juni wurde es offiziell: Der Baukonzern Alpine ist insolvent. Horrorszenarien wurden verbreitet und die Regierung nutzte dies sich in Pose zu werfen – man werde zukünftige Bauprojekte vorziehen. 82 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten innerhalb kürzester Zeit schon wieder einen Job – Dank massiver Bemühungen der Regierung im Wahlkampf.

Ebenfalls rund 3.500 Beschäftigte trifft das Scheitern der Drogeriekette dayli, bei der im Gegensatz zu Alpine überwiegend Frauen arbeiteten. Es wird spannend zu beobachten sein, ob die Politik hier gleich engagiert helfen will und wird.

Spaß durch Plakate

Die Grünen legten es spaßig an und sehen sich als „weniger belämmert als die Anderen„. Sicherlich ein Plakat auf das sie in Zukunft noch öfters angesprochen werden.

Staatsmännisch und unfreiwillig komisch dagegen Frank Stronach. Das Plakat „Unbestechlich Frank“ ist eine klassische Themenverfehlung. Nicht ob er bestechlich ist, sondern ob er bestochen bzw. Abgeordnete „gekauft“ hat, damit sie zu seiner Partei wechseln, wäre einer Antwort wert.

Die Plakate der SPÖ hatten mit zweierlei „Nachbarschaften“ zu kämpfen. Neben Plakaten mit dem Bild des SPÖ-Spitzenkandidaten Werner Faymann warb der Getränkehersteller innocent mit “Unser Spitzenkandidat ist eine Flasche”. Auch der Mobilfunker „Drei“ konterkarierte SPÖ-Plakate wie „Wir kämpfen für leistbares Wohnen“ mit „Auf gar keinen Fall.“ oder „Keine Chance“.

Für die FPÖ hielt HC Strache in der ORF-Pressestunde Anfang Juni überraschend fest: „Habe noch nie Ausländerwahlkampf gemacht“ Gemäß dieser skurrilen Aussage präsentierte er nun Plakate mit dem Text „Liebe deine Nächsten – für mich sind das die Österreicher„. Ein Nächstenliebe-Begriff der ganz klar christlichen Werten widerspricht, hielten kirchliche Vertreter sichtlich verärgert fest.

Abschiebegrund: Wahlkampf

So unmissverständlich titelte der Falter Anfang August einen Bericht zu den nun nach Pakistan abgeschobenen Votivkirchen-Flüchtlingen. Innenministerin Mikl-Leitner schlug kurz vor der Wahl einen scharfen Rechtskurs ein und schob die Flüchtlinge ab. Für die Öffentlichkeit wurden noch der Vorwurf der Schlepperei und Brutalität nachgereicht – was übrigens laut Ermittlungsakt nicht stimmen dürfte, zeigte ebenfalls der Falter auf.

Die in Menschenrechtsfragen knieschwachen Sozialdemokraten sahen dem ÖVP-Treiben weitgehend unbeteiligt zu. Ganz anders verhielten sich in dieser Situation kirchliche Organisationen. Von Kardinal Schönborn abwärts wurde das Wahlkampf-Ma­nö­ver der Innenministerin scharf kritisiert.

Der als höchst besonnen bekannte Wiener Caritas-Direktor Michael Landau formulierte es sogar so: „Hier wurde – das muss man nach Bekanntwerden des Aktes nüchtern feststellen – seitens des Innenministeriums und des Bundeskriminalamts auf dem Rücken der Flüchtlinge Wahlkampf gemacht.“

Tausende Wiener Haushalte erhielten am Höhepunkt der Diskussion einen Brief von ÖVP-Chef Spindelegger und Integrations-Staatssekretär Kurz. Darin wird der Rücktritt von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner angekündigt, da sie die „Hauptverantwortliche für die unchristliche Vorgangsweise“ sei. Mit dem Brief gibt es allerdings ein Problem: Die ÖVP hat ihn nicht geschrieben; die Innenministerin bleibt daher im Amt.

Intensiv-Wahlkampf beginnt

Noch müssen wir beinahe 6 Wochen Intensiv-Wahlkampf durchstehen in den Menschen und ihre Rechte gestärkt aber auch verletzt werden können.

Der Großstadtphilosoph Michael Häupl teilte mit uns schon vor Jahren das Wissen, dass ein Wahlkampf die „Zeit fokussierter Unintelligenz“ ist. Wahrscheinlich wird er wieder Recht behalten.

Dieser Beitrag erschien zuerst am 19. August 2013 in neuwal.com.

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